Die Wasserstoff-Stadt


Dorothee Lemken arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für BrennstoffzellenTechnik. Die zukunftsweisende Technologie hält sie für einen entscheidenden Baustein in der Energiewende. Und Duisburg ist für sie der richtige Ort, um die Weichen für die Zukunft zu stellen.

Duisburg. Große Container stehen überall verteilt. Rohre und Leitungen mit unzähligen Schaltern und Ventilen winden sich dazwischen entlang. Das ganze Gelände ist mit einem Zaun geschützt. Aufhalten darf sich hier allein nur, wer eine Sicherheitsunterweisung bekommen hat. Auf dem Testfeld auf dem Campus der Universität Duisburg-Essen arbeiten Wissenschaftler des Zentrums für BrennstoffzellenTechnik (ZBT) an der Weiterentwicklung von Komponenten und Konzepten für die zukünftige Wasserstoff-Infrastruktur.

Dorothee Lemken ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZBT und führt zusammen mit einem Kollegen einige Gäste über das Testfeld. Die Hochdruck-Testanlage ist entstanden, um Wasserstoff-Tankstellen und die Distribution von Wasserstoff zu optimieren. Es gibt verschiedene Speicher, die mit unterschiedlichem Druck arbeiten – die Hochdruckspeicher reichen bis zu 900 bar. So können etwa Konzepte für Tankstellen entwickelt werden, an denen Lastwagen und Busse betankt werden.

Das ZBT produziert seinen eigenen Strom

Auch einen Teil seiner Strom- und Wärmeversorgung bezieht das ZBT, dessen Hauptgebäude an das Testfeld angrenzt, von hier. Mit einer 100-Kilowatt-Brennstoffzellenanlage werden Strom und Wärme erzeugt. So will das ZBT seinen CO2-Fußabdruck verbessern und die Energiekosten des Forschungsinstituts reduzieren. Darüber hinaus dient die Anlage auch für weitere wissenschaftliche Untersuchungen.

Die Bedeutung der Themen, an denen Dorothee Lemken und ihre Kollegen am ZBT forschen, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen: „Vor ein paar Jahren haben nur wenige Politiker das Wort Wasserstoff in den Mund genommen“, sagt sie, „heute ist die Technologie groß im Kommen.“ Das ist auch am ZBT zu spüren, an dem bereits seit rund 20 Jahren zu Wasserstoff-Themen geforscht wird. „Wir platzen aus allen Nähten“, sagt die 53-jährige Ingenieurin. Das ZBT hat aktuell rund 150 Beschäftigte und ist damit auch zu einem wichtigen Arbeitgeber geworden.


Wasserstoff-Campus im Duisburger Süden

Daher kommt aus Sicht von Dorothee Lemken genau zum richtigen Zeitpunkt, dass es bald einen neuen Wasserstoff-Campus auf dem Gelände der Hüttenwerke Krupp Mannesmann im Duisburger Süden geben wird. Dort soll mit initialen Fördergeldern in Höhe von 1,6 Millionen Euro vom Land Nordrhein-Westfalen Infrastrukturen geplant werden, so dass auf dem Industriegelände Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten entstehen können. Den weiteren Aufbau sollen bis 2025 dann noch bis zu 50 Millionen Euro aus Landesmitteln unterstützen. Das ZBT plant hier seine Forschungen rund um größere Anlagen, Energieträgerforschung, stationäre Energiesysteme und Brennstoffzellenantriebe ergänzend zum Bestandstandort auf dem Uni-Campus weiterzuentwickeln.

Duisburg Teil des Netzwerks an Wasserstoff-Zentren

Ebenfalls dort angesiedelt wird ein Standort des Netzwerks an deutschen Wasserstoff-Zentren für die Mobilität, das vom Bundesverkehrsministersterium ausgeschrieben wurde. Den Zuschlag erhielten neben Duisburg auch Pfeffenhausen in Bayern und Chemnitz in Sachsen sowie Flugzeug- und Seefahrt-orientierte Standorte in Norddeutschland. Dieses Technologie- und Innovationszentrum Wasserstoff (TIW) soll ab 2024 vollständig seinen Betrieb aufnehmen, die ersten Arbeiten sollen aber sehr kurzfristig beginnen.

Aus dem Topf des Bundesverkehrsministeriums fließen dafür 60 Millionen Euro nach Duisburg. Das Konsortium aus regionalen Unternehmen, Wissenschaftseinrichtungen sowie der Stadt Duisburg und des Landes NRW baut damit ein neues Prüf-, Test- und Know-how-Zentrum auf. Es soll Unternehmen bei der Markteinführung von Produkten auf Basis von Wasserstoff unterstützen.


Große Chancen für Duisburg

Dass Duisburg der ideale Standort dafür ist, davon ist Dorothee Lemken überzeugt. Nicht nur, weil sie die Stadt gut kennt. Erst studierte sie hier Maschinenbau und seit 2007 arbeitet sie am ZBT. „Duisburg ist gerade mit den potenziellen Anwendern aus unserer Sicht ein perfekter Standort für die Wasserstoff-Technologie“, sagt Lemken, „vor allem, um sie wirklich voranzubringen.“ Dann erwähnt sie die Dichte an Autobahnen, die Vielzahl an Logistikbetrieben, zwei moderne Stahlwerke und den größten Binnenhafen mit entsprechender Logistik in Europa. „Das gibt es in der Kombination nirgendwo in Deutschland“, sagt die Forscherin - und das seien die besten Voraussetzungen für Wasserstoff-Forschung.

Für die Stadt Duisburg sieht Dorothee Lemken das Projekt als große Chance an. Es sei die „Keimzelle“ aus der viel entstehen könnte, wie etwa neue Arbeitsplätze. Denn klar ist, dass die Technologie auch Fachkräfte benötigt, die mit ihr umgehen können. „Deswegen ist ein Punkt die Aus- und Weiterbildung, welche wir bereits begonnen haben und die wir zukünftig noch stärker angehen werden“, sagt Lemken. Auch das soll ein Thema auf dem neuen Gelände im Duisburger Stadtteil Hüttenheim sein.

Schlüsseltechnologie für die Energiewende

Wasserstoff ist der Meinung von Dorothee Lemken nach eine Schlüsseltechnologie in der Energiewende und zur CO2-neutralen Gesellschaft sein. „Wasserstoff ist die Möglichkeit, unsere regenerativen Energien zu speichern und sie unabhängig vom Angebot einzusetzen“, erklärt sie. Wenn etwa die Windkraftanlagen im Norden Deutschlands viel Strom produzieren, kann dieser eingesetzt werden, um Wasserstoff herzustellen und so die Energie zu speichern. Die Energie geht also nicht verloren, sondern wird in Form von Wasserstoff als Energieträger, Kraftstoff und Rohstoff für die Industrie verwendet. Mit Hilfe von Brennstoffzellen kann sie später wieder in elektrischen Strom umgewandelt werden. So kann Wasserstoff etwa bei der Energieversorgung von Gebäuden, in der Industrie oder bei der Mobilität eingesetzt werden. „Alleine die Mobilität ist schon ein gigantischer Bereich“, sagt die Forscherin, was zeigt, wie riesig die Anwendungsgebiete und der Nutzen von Wasserstoff insgesamt für die Gesellschaft sind.

Und Dorothee Lemkens Arbeit ist ein wichtiger Beitrag dazu, dass in vielen Bereichen bald Wasserstoff zum Einsatz kommen wird. Beim ZBT arbeitet sie in der Abteilung Wasserstoff-Infrastruktur, die sich mit einigen elementaren Fragen beschäftigt. Wo bekommen wir den Wasserstoff her? Wo speichern wir ihn? Wie verteilen wir ihn? In einem Projekt, das mittlerweile abgeschlossen ist, hat sich die Forscherin etwa mit der Frage beschäftigt, wie es möglich ist, Wasserstoff auf und an den Rhein zu bekommen. Die Initiative für das Forschungsvorhaben ging auf die Provinz Südholland und das Land NRW zurück. „Unser Part dabei war, zu überlegen, wie die Infrastruktur aussehen muss, um Wasserstoff auf die Schiffe zu bekommen“, so Lemken. Bei einem ihrer aktuellen Forschungsprojekte beschäftigt sie sich mit Ammoniak als Speicher von Wasserstoff. Die chemische Verbindung besteht nur aus Stickstoff und Wasserstoff.


Was ist Wasserstoff?

Bei Wasserstoff handelt es sich um ein chemisches Element. Tatsächlich kommt Wasserstoff in unserem Universum am häufigsten vor. Wasserstoff ist ein sehr leichtes und brennbares Gas. Und er ist neben Sauerstoff einer der Hauptbestandteile von Wasser. Per Wasserelektrolyse kann etwa Wasserstoff gewonnen werden. Dabei wird Wasser unter Einsatz von Strom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Wasserstoff kann aber auch beispielsweise aus Erdgas gewonnen werden.

Die Brennstoffzelle


Brennstoffzellen wandeln die chemische Energie eines Brennstoffs wie etwa Wasserstoff in elektrische Energie um. Bei diesem Vorgang handelt es sich um eine elektrochemische Reaktion. Brennstoffzellen sind also einfach ausgedrückt Energiewandler. Das Prinzip ist aus dem Chemieunterricht in der Schule bekannt. Beim Knallgas-Experiment kommt eine explosionsfähige Mischung aus gasförmigem Wasserstoff und Sauerstoff zusammen. Beim Kontakt mit Feuer kommt es zur Knallgasreaktion. In der Brennstoffzelle wird allerdings keine Explosion herbeigeführt, sondern der Prozess läuft kontrollierter ab.