Karriere als Kapitänin: Katharina Wenck lebt ihren Traum


Katharina Wenck macht in Duisburg eine Ausbildung zur Binnenschifffahrtskapitänin. In der Stadt mit dem größten Binnenhafen der Welt wird sie auf die Arbeit in einer Branche mit Zukunft vorbereitet – in einem topmodernen Simulator und auf dem Rhein.





Katharina Wenck ist in Eile. Sie ist auf dem Weg zur Fahrstunde. Ihr Ziel ist aber nicht der Auto- oder Motorradführerschein. Bei ihr ist es eine Nummer größer. Die 22-Jährige macht in Duisburg eine Ausbildung zur Binnenschifffahrtskapitänin – und heute geht’s zum Simulator- Fahrtraining. „Der Simulator ist eine gute Vorbereitung auf die Praxis“, sagt sie. „Aber das Fahren lernen wir auf dem Wasser.“


Duisburg-Homberg, Bürgermeister-Wendel-Platz. Der Rhein ist knapp einen Kilometer entfernt. Katharina Wenck steht vor dem Gebäude des Schiffer-Berufskollegs, öffnet die Tür, tritt ein und steigt eine Treppe hinauf. Rechts, geradeaus, links. Dann tritt sie durch eine weitere Tür. „Sandra II“, steht daneben auf einem kleinen Schild an der Wand. Der Name ist eine Abkürzung. Sie steht für „Simulator for Advanced Navigation Duisburg – Research and Application“. Aus ganz Deutschland kommen Schüler, um an diesem Gerät zu lernen.

Die Schifffahrt spielt am Standort Duisburg seit Jahrhunderten eine bedeutende Rolle. Über den Rhein fahren Schiffe von hier aus in viele Länder der Welt. Was einst mit einer überschaubaren Anlegestelle begann, hat sich dann unfassbar dynamisch entwickelt: Duisburg ist zur Heimat des größten Binnenhafens der Welt geworden. Das riesige Hafenareal misst 1.550 Hektar, es reicht von Rheinhausen im Westen der Stadt bis zum Stadtteil Ruhrort. Dort ist es längst Tradition, im Sommer das Ruhrorter Hafenfest zu feiern – eine Kirmes mit Musik, Kultur, Feuerwerk und viel maritimen Flair.

Jetzt ist Katharina Wenck in einem dunklen Raum angekommen. Alles erinnert an die Kommandobrücke eines Schiffes – inklusive Kapitänssessel. Die Auszubildende nimmt darauf Platz und blickt auf eine 210-Grad-Panorama-Leinwand. Dann ertönt eine Computerstimme: „Your exercise has been started!“ Es geht los.




Katharina Wenck steuert nun ein 110 Meter langes Tankschiff über den Rhein. Sie umschifft Brückenpfeiler, wird von einem Containerschiff überholt. Der Computer konfrontiert sie immer wieder mit überraschenden Situationen: Tag und Nacht, Regen und Sonnenschein wechseln sich auf Knopfdruck ab, hin und wieder taucht Gegenverkehr auf oder der Wellengang schaukelt das Schiff hin und her. Konzentriert blickt Katharina Wenck auf den riesigen Monitor, nervös ist sie nicht. „Wenn hier was schief geht, drückt man ,Reset‘ und die Simulation geht von vorne los – draußen auf dem Rhein geht das nicht.“




Aufgewachsen in Norddeutschland, hatte Katharina Wenck das Meer immer in ihrer Nähe. Dass sie sich für einen Beruf entscheiden würde, bei dem sie nah am Wasser sein kann, war also naheliegend. „Nach einem Praktikum als Binnenschifferin wusste ich, dass ich meine Berufung gefunden hatte“, sagt sie. „Ich liebe es, ständig unterwegs zu sein. Ich bin viel an der Luft und mir weht ständig eine frische Brise um die Nase.“ Von ihrer Begeisterung für die Schifffahrt zeugen auch die Tattoos auf ihrem Arm: Der Leuchtturm „Roter Sand“ ist dort verewigt, ebenso eine Windrose und ein großes Segelschiff.

Ihre Ausbildung macht Katharina Wenck bei HGK Shipping. Das Unternehmen wurde um das Jahr 1800 in Duisburg-Ruhrort gegründet und beschäftigte sich anfangs mit Kohle-Transporten zwischen der Ruhr, den Niederlanden und dem süddeutschen Raum. Heute ist HGK das führende Binnenschifffahrtsunternehmen in Europa. 960 Mitarbeiter an zwölf Standorten sorgen dafür, dass jedes Jahr rund 43 Millionen Tonnen Fracht mit 350 eigenen und gecharterten Schiffen auf europäischen Flüssen transportiert werden.

Auf den Wassern Duisburgs

Das Simulator-Training hat Katharina Wenck mit Bravour gemeistert. Jetzt sitzt sie im Auto und fährt in Richtung Vinckekanal. Dort, am Ableger Steiger Schifferbörse, liegt das HGK-Schubboot „Herkules X“ vor Anker – und die angehende Binnenschifferin wird schon erwartet. Sie wird die Crew heute bei einer Tour durch den Duisburger Hafen begleiten. „Und wenn ich Glück habe, darf ich vielleicht auch mal ans Steuer“, sagt Katharina Wenck, „das wäre echt super. Diesen Schiffstyp bin ich nämlich noch nie gefahren.“

Katharina Wenck ist bei ihrer Ausbildung auf der Zielgeraden. Und für die Zeit danach hat sie eine sehr gute Perspektive: Die Übernahmequote der HGK liegt bei nahezu 100 Prozent. „Der Beruf des Binnenschiffers hat Zukunft, keine Frage“, sagt sie. „Schiffe sind wichtig, damit die Lieferketten funktionieren und Güter in Europa von A nach B kommen.“

Die Motoren der „Herkules X“ wummern im Leerlauf, Katharina Wenck hat einen roten Overall angezogen. „Jedes Mal, wenn ich an Bord eines neuen Schiffes bin, löst das in mir so eine Art Glücksgefühl aus“, sagt sie. Dann ertönt aus ihrem Funkgerät ein Kommando: „Losmachen!“ Sie zieht Handschuhe an, greift ein dickes Tau, holt es ein und verstaut es in einem großen Metallkorb. „Schon anstrengend“, murmelt sie, „macht aber Spaß!“. Dann setzt sich am Heck die Schiffsschraube in Bewegung, das Motorgeräusch wird lauter, auf der Wasseroberfläche bilden sich weiße Schaumkronen. Die Fahrt beginnt.


Katharina Wenck blickt auf den Rhein. Auf der Mercatorinsel sieht sie die Skulptur „Das Echo des Poseidon“ des Künstlers Markus Lüpertz, die 2016 anlässlich des 300-jährigen Bestehens des Hafens aufgestellt wurde. Kurz darauf passiert die „Herkules X“ die stählerne Landmarke „Rheinorange“. Das vom Bildhauer Lutz Fritsch entworfene XXL-Kunstwerk am Rheinkilometer 780 markiert die Mündung der Ruhr in den Rhein – und ist längst zu einem beliebten Ausflugsziel und Fotomotiv geworden.

Nach einer Weile wird Katharina Wenck zum Kapitän gerufen. Sie steigt eine steile Treppe hinauf, passiert die goldene Schiffsglocke, öffnet die Tür zum Steuerstand – und tritt ein. Durch die Frontscheibe blickt sie auf den Rhein, auf Monitoren sieht die den aktuellen Schiffsverkehr.

„Möchtest du mal fahren?“, fragt der Kapitän. Katharina Wencks Augen leuchten, und sie übernimmt die Kontrolle. Mit der linken Hand gibt sie Gas, mit der rechten Hand stellt sie das Ruder ein. Das hier draußen ist kein Simulator. Es ist das echte Leben. „Es fühlt sich sehr gut an, so einen Schiffstypen steuern zu dürfen. Es bedeutet aber auch sehr, sehr viel Verantwortung. Wenn ich eine Entscheidung treffe, muss ich mit den Konsequenzen leben“, sagt sie. „Als ich das erste Mal ein Schiff gesteuert hatte, ging mir der Arsch noch auf Grundeis. Inzwischen macht es mir einfach nur noch Spaß.“


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