Duisburger Studenten planen Revolution in der Papierbranche


Beste Voraussetzungen für junge Gründer. Mit Unterstützung der Universität Duisburg-Essen werden an einem der spannendsten Wirtschaftsstandorte Europas Erfolgsgeschichten geschrieben. Unterwegs mit dem Hanfpapier-Start-up „Hempa“.

Duisburg.Die schwere Glastür schwingt auf. Jonathan Althaus (21) und Stefan Pöker (26) treten hinaus auf den Campus. Zwei junge Leute an der Uni Duisburg-Essen, die Rucksäcke lässig über die Schultern hängend. Ein ganz normales Bild. Doch während ihre Kommilitonen an diesem sonnigen Morgen über Hausarbeiten und Referate reden, beschäftigen sich die beiden mit anderen Themen: Businesspläne, Umsatzzahlen und Gewinnerwartungen. Jonathan Althaus und Stefan Pöker haben gerade eine eigene Firma gegründet. Sie wollen Geld verdienen mit hochwertigen Papierprodukten aus Hanf. Und am Campus in Duisburg fing alles an.

Rückblick. Winter 2018. Erstes Semester. Erste Veranstaltung. Mathe-Tutorium. Stefan Pöker kommt zu spät. Jonathan Althaus sitzt in der letzten Reihe. „Ist neben Dir noch frei?“, fragt Stefan. „Ja, setz Dich“, antwortet Jonathan. Sie kommen ins Gespräch. „Von diesem Tag an haben wir dann das ganze Studium miteinander verbracht“, blickt Stefan Pöker zurück. „Und jetzt sind wir auch noch Geschäftspartner“, ergänzt Jonathan Althaus.

„Vielleicht ist dieser Start-up-Begriff etwas, in das man reinwächst“

„Hempa“ haben die beiden BWL-Studenten ihr Start-up genannt. Wobei sie noch immer ein wenig damit fremdeln, dass sie nun echte Unternehmer sein sollen. „Start-up ist so ein mega-großer Begriff“, sagt Stefan Pöker. „Für uns ist das mehr so ein Projekt, etwas das Spaß macht, wie ein Hobby“, führt Jonathan Althaus den Gedanken aus. „Andererseits: Vielleicht ist dieser Start-up-Begriff auch etwas, in das man reinwächst“, sagt Stefan Pöker. „Seit unserem Produktlaunch ist es ja nicht mehr von der Hand zu weisen, dass wir mit unserer Idee Geld verdienen wollen.“

Die Idee, die Produkte: Jonathan Althaus und Stefan Pöker wollen die Papierbranche revolutionieren – und die Welt dabei ein wenig besser machen. Nicht von heute auf morgen. Eher in kleinen Schritten. Dass der Weg lang sein kann, ist ihnen bewusst. Als Rohstoff in der Papierindustrie ist Hanf ein absoluter Exot. In weniger als einem halben Prozent des hierzulande hergestellten Papiers stecken Hanffasern. Der Grund: Die Herstellung von Hanfpapier ist aufwändig. Gleichzeitig ist Papier aber knapp und teuer. Die Branche muss sich also nach Alternativen umsehen.


Nutzhanf auch in der Baubranche und in der Textilindustrie

Das Gründer-Duo setzt auf Nutzhanf. Die Pflanze ist vielseitig verwendbar. Etwa in der Baubranche oder in der Textilindustrie. Man kann aber eben auch Papier draus machen. Aus einem Hektar Nutzhanf-Anbaufläche kann nach Angaben des Start-ups vier Mal mehr Papier hergestellt werden als aus der gleichen Fläche Wald. Hinzu komme, dass die Pflanze bei der Papierherstellung eine lange Tradition habe, die jedoch seit Beginn der Industrialisierung weitgehend in Vergessenheit geraten sei: „Im 15. Jahrhundert hat Gutenberg seine erste Bibel auf Hanfpapier gedruckt“, sagt Jonathan Althaus. „Auch die ersten Entwürfe der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung haben die Gründerväter noch auf Hanfpapier geschrieben.“

Beliebt bei Kreativen: Auch die Duisburger Künstlerin Magdalena Czernecka setzt auf Hanfpapier.

Stefan Pöker ist in Meppen geboren. Jonathan Althaus kommt aus Willich. Dass sich die beiden dazu entschieden haben, ihr Unternehmen in Duisburg zu gründen, hat mehrere Gründe. Jonathan Althaus verweist darauf, dass die Stadt als Standort für Gründungen „durchaus sehr attraktiv“ sei. Mit ihrem Business-Plan waren sie bei einem lokalen Start-up-Wettbewerb erfolgreich – und durften in der Folge das bekannte Technologiezentrum „Tectrum“ zu ihrem offiziellen Firmensitz machen.

Universität Duisburg-Essen hat Standortwahl beeinflusst

Die Wahl des Unternehmensstandorts hat aber auch viel mit der Universität Duisburg-Essen zu tun. Beim Gang über den Campus, zwischen Bibliothek und Mensa, erinnert sich Stefan Pöker an einen Telefonanruf im Herbst 2020: „Hey, Stefan“, sagte sein Kumpel Jonathan damals, „an der Uni gibt’s ’nen Kurs, da entwickelst Du eine Gründungsidee bis zum fertigen Businessplan. Ich hätte Bock drauf. Wie sieht’s bei Dir aus?“.

Kurz darauf meldeten sie sich für den „SBM-Kurs“ an. Die Abkürzung „SBM“ steht für „Small Business Management“. Und organisiert wird dieses Angebot vom „Zentrum für Gründungen und Innopreneurship der Universität Duisburg-Essen“, kurz „GUIDE“. Hier begleiten Professoren, Coaches und Gäste aus der Praxis die Studenten auf ihrem Weg von der ersten Idee zum fertigen Start-up. „Das Angebot ist sehr umfangreich. Es geht zwar viel Zeit rein, aber am Ende hat man einen enormen Wissenspool aufgebaut“, sagt Jonathan Althaus.


Gesprächstermin im Gründerzentrum

Inzwischen sind Jonathan Althaus und Stefan Pöker an einem weiteren Gebäude der Uni angekommen. Hier, etwa zehn Minuten Fußweg vom Haupt-Campus entfernt, sind die Büros des Gründerzentrums. Über eine kleine Treppe erreichen die beiden „Hempa“-Macher den Haupteingang. Stefan Pöker öffnet die Glastür. Dann steuert er mit seinem Geschäftspartner einen Besprechungsraum in der ersten Etage an. Gründungscoach Till Schlusen hat zum Gespräch geladen.

Helle Schreibtische, blaue Stühle. An der Wand hängt ein großes Poster, auf dem die wichtigsten Eckdaten des „Hempa“-Geschäftsmodells verzeichnet sind. Die Start-up-Gründer erzählen ihrem Coach von den Erfahrungen, die sie gemacht haben, seit der Verkauf ihrer Produkte begonnen hat. „Es läuft gut an“, sagt Stefan Pöker. „Obwohl wir noch nicht mal damit angefangen haben, Werbung zu machen.“

„Es hat eine schön wolkig-weiche Oberfläche“

Gestartet ist „Hempa“ mit zwei Produkten. Ein 104 Seiten starkes Buch im Format DIN A5 sowie ein A4-großer Design- und Zeichenblock mit 50 Seiten Hanfpapier. „Es hat eine schön wolkig-weiche Oberfläche und eignet sich perfekt für den künstlerischen Bedarf“, sagt Jonathan Althaus.

Das von „Hempa“ verwendete Papier besteht nur aus Hanf. Nach Angaben des Start-ups ist das ein echtes Alleinstellungsmerkmal: „Aktuell sind wir die einzigen in Deutschland, die Produkte aus 100 Prozent Hanfpapier anbieten. Was andere verkaufen, ist eine Mischung aus Altfasern und einem Hanfanteil. Wir haben aber gesagt: Das reicht uns nicht. Wenn wir etwas mit Hanf machen, dann kommt da auch nur Hanf rein“, sagt Jonathan Althaus. „Wir hatten uns nun mal gefragt: ,Was ist uns wichtig?‘ – Und das ist das Thema Nachhaltigkeit. Wir sind nicht gestartet mit dem Gedanken: ,Hey, wir machen jetzt Kohle!‘“, ergänzt Stefan Pöker.


Hanfpapier kann Altpapierkreislauf häufiger durchlaufen

Hergestellt wird das Hanfpapier in der Büttenpapierfabrik Gmund am Tegernsee. Das Familienunternehmen ist dafür im Jahr 2022 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet worden. Wenn Jonathan Althaus und Stefan Pöker über die Vorteile von Hanf reden, kommen sie richtig in Fahrt. Im Gegensatz zu speziell gezüchteten Bäumen sei Hanf nicht erst nach sieben bis zehn Jahren erntereif – sondern ganze drei Mal pro Jahr. In wenigen Wochen wüchsen die Pflanzen auf eine Höhe von vier Metern und produzierten dabei mehr Biomasse als jede andere hierzulande angebaute Nutzpflanze. Außerdem könne es den Altpapierkreislauf häufiger durchlaufen als Standardpapier. Und schließlich nennt Stefan Pöker noch einen weiteren positiven Nebeneffekt: „Jede Wachstumsphase bindet enorme Mengen an Kohlenstoffdioxid“.

Der größte Haken bei der Arbeit mit Hanf als Basis für Papier seien die Rohstoffpreise. „An den Durchschnittsverbraucher können wir uns jetzt noch nicht so richten, wie wir es gerne möchten, einfach weil unsere Produkte dafür zu teuer sind“, sagt Jonathan Althaus. „In Zukunft wollen wir aber daran arbeiten, auch die breite Masse zu erreichen.“ Die Hoffnung der Gründer ruht darauf, dass der Anbau von Nutzhanf in Deutschland zunimmt. „Wenn der Markt wächst, wird mehr Hanf verfügbar. Dann kommen wir in ein paar Jahren an den Punkt, wo das Hanfpapier günstiger sein könnte als das normale Papier“, sagt Stefan Pöker.


Duisburger Studentenkneipe „Finkenkrug“ ist längst Kult

Es ist spät geworden. Die beiden Gründer öffnen die Tür des „Finkenkrug“. „Die Kneipe ist sehr geil, um nach der Uni, nur ein paar Meter entfernt vom Campus, noch ein paar Bierchen zu trinken“, sagt Stefan Pöker. Generationen von Studenten haben schon im „Finkenkrug“ gefeiert. Die Studentenkneipe ist längst Kult. Auch wegen ihrer Bierauswahl. Die Betreiber werben damit, dass es in ihrem Laden mit 270 verschiedenen Bieren das „größte Bierangebot in Deutschland“ gebe.

Bei vegetarischem Burger und Pommes sprechen Jonathan Althaus und Stefan Pöker nun über die Zukunft von „Hempa“. „Wir können uns vorstellen, noch weitere nachhaltige Produkte aus Hanf anzubieten – und haben noch viele Ideen im Kopf“, sagt Stefan Pöker. Sein Kumpel Jonathan Althaus greift den Gedanken auf: „Es geht darum, zu erkennen, wo Potenzial im Markt herrscht – das macht Unternehmertum aus. Gleichzeitig ist uns Umweltbewusstsein sehr wichtig, deshalb wollen wir die Welt der Papierprodukte nachhaltiger gestalten. Klar, es gibt viele sinnvolle Ideen, aber wenn sie nicht umgesetzt werden, ist am Ende auch niemandem geholfen.“

Gefördert mit dem „NRW-Gründerstipendium“

Jonathan Althaus und Stefan Pöker werden ihren Weg gehen. Davon sind nicht nur die Coaches im Gründerzentrum überzeugt. Auch das Land fördert die beiden Start-up-Unternehmer und ihre Idee mit dem „NRW-Gründerstipendium“. Vor ihnen liegt aber auch noch eine Menge Arbeit. Oder, wie Jonathan Althaus es ausdrückt: „Desto weiter man kommt, desto mehr Türen öffnen sich. Und wenn man die durchschreitet, öffnen sich wieder neue Türen.“

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