Die Schlagfrau der Wikinger


Die Wanheimer Kanu-Gilde gehört zu den größten Drachenboot-Vereinen in Europa. Vom 7. bis zum 9. Juni starten viele Mannschaften des Klubs bei der international bekannten „Drachenboot Fun Regatta“ im Duisburger Innenhafen. Mit dabei ist auch Johanna Lindfeld, die Teamkapitänin der „Wolfssee Vikings“.


Johanna Lindfeld läuft über einen Holzsteg, der zum Wolfssee führt. In der linken Hand hält die 36-Jährige ein Paddel, mit der rechten schiebt sie ein rotes Drachenboot auf Rollen vor sich her. Anschließend hebt die Besatzung das rund zwölf Meter lange und 250 Kilogramm schwere Boot ins Wasser. Lindfeld nimmt ihren Stammplatz ein. Sie sitzt vorne rechts, neben ihr auf der schmalen Bank lässt sich Manuel Papenfuß (35) nieder.

Alle Paddler gehen nun an Bord. Norbert Koch bezieht Stellung am Heck und umgreift den Knauf des Langruders. Er ist der Steuermann der „Wolfssee Vikings“ und gibt beim Training die Kommandos. „Paddel in die Auslage!“, ruft der 55-Jährige und zählt ab: „Drei, zwei, eins – und los.“ Alle Teammitglieder stechen mit den Paddeln ins Wasser und schieben das Boot damit vorwärts. Johanna Lindfeld und Manuel Papenfuß geben dabei als Schlagleute die Frequenz vor.

Die „Wolfssee Vikings“ drehen heute mehrere Runden auf dem Gewässer im Duisburger Süden. Große Wettkämpfe liegen vor dem Team der Wanheimer Kanu-Gilde (WKG). Die Paddler bereiten sich vor auf das Langstreckenrennen „WKG Island Race“. Und sie schaffen die Grundlagen für den Jahres-Höhepunkt in ihrer Sportart: Vom 7. bis zum 9. Juni richtet die Wanheimer Kanu-Gilde mit Duisburg Kontor die „Drachenboot Fun Regatta“ im Innenhafen aus. Mit rund 140 teilnehmenden Mannschaft gehört die Veranstaltung im Ruhrgebiet zu den größten Drachenboot-Events weltweit.


„Der Innenhafen ist als Sportstätte schon einzigartig“

„Wenn die Zuschauer an den Ufern stehen und uns anfeuern, ist das noch einmal eine andere Atmosphäre als draußen auf dem See.“ Überhaupt schätzt sie die Vielfalt der SPORTSTADT DUISBURG. „Im Frühjahr nehmen wir am Drachenboot-Festival auf dem Toeppersee in Rheinhausen teil“, betont Lindfeld. „Das ist auch eine super Wettkampfstätte, die Zuschauer sorgen für eine tolle Stimmung.“

Dass Duisburg gerade für den Wassersport viel zu bieten hat, wissen auch die internationalen Verbände. Im Jahr 2023 fand deshalb zum sechsten Mal die Kanu-Weltmeisterschaft auf der Duisburger Regattabahn statt, die auch oft als Wimbledon des Kanusports bezeichnet wird. Die Wettkampfstätte wird gerade modernisiert. Bei den World University Games 2025, der Kanupolo-WM sowie der U21-WM im Rudern im Jahr 2026 kämpfen bald Athleten aus aller Welt um die Medaillen.

Und wer Topleistungen abseits des Wassers sehen möchte, muss nur zum Landschaftspark Duisburg-Nord fahren. Das 180 Hektar große Areal rund um ein stillgelegtes Hüttenwerk ist ein Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt – und zudem Schauplatz für große Events wie den Ruhr Games oder der Multisportveranstaltung „Die Finals.“


Die „Drachenboot Fun Regatta“ hat sich weit über Duisburg hinaus einen Namen gemacht. Bei der nächsten Auflage ist Johanna Lindfeld wieder als Schlagfrau im Einsatz. „Ich habe die Sportart durch Zufall für mich entdeckt“, sagt die Teamkapitänin, nachdem sie wieder an Land gegangen ist. Ihre ältere Schwester Karin Bodzian hatte sich 2022 für ein Probetraining bei der Kanu-Gilde angemeldet. „Ich war auch seit längerer Zeit auf der Suche nach einem schönen neuen Mannschaftssport, der gerne auch auf dem Wasser stattfinden sollte“, erzählt Lindfeld. „Und dann bin ich einfach mitgekommen.“

Und sie blieb. „Ich mag dieses Gemeinschaftliche, das alle an einem Strang ziehen“, sagt Lindfeld. „Im Drachenboot braucht man einen Gleichklang, um vorwärtszukommen, also ein gutes Teamgefüge.“ Außerdem könne sie sich auf dem Wasser richtig auspowern. Für die Shop-Managerin im Einzelhandel ist die Sportart ein guter Ausgleich zum Arbeitsalltag. „Ich werde morgen schon spüren, dass ich heute was getan habe“, erklärt Johanna Lindfeld.

Eine Woche nach der Trainingseinheit läuft die Sportlerin wieder über den Holzsteg zum Wasser. Im Drachenboot der „Wolfssee Vikings“ sind alle 20 Plätze besetzt – schließlich steht an diesem Tag ein Wettkampf an. Im Boot sitzen junge Erwachsene neben erfahrenen Senioren, die Mitglieder der Besatzung haben rot-schwarze Trikots angezogen. Nur Steuermann Norbert Koch trägt Jeans und einen schwarzen Kapuzenpulli mit dem Logo des Teams. Diesmal gibt es mithilfe eines Headsets die Kommandos. Die „Wolfssee Vikings“ nehmen ihre Position ein.

Neun Teams starten an diesem sonnigen Frühjahrsvormittag beim „WKG Island Race“ – eins ist sogar aus den Niederlanden angereist. Jenny Kortz von der Wanheimer Kanu-Gilde greift zum Mikrofon und startet das Rennen. Sofort setzt sich das Team von „Roter Drache Mülheim“ an die Spitze. Nach der ersten von vier Runden hat das Boot schon zwei Längen Vorsprung auf die Konkurrenz.




Werner von Häfen beobachtet das Geschehen vom Ufer aus. „Dass die Mülheimer dominieren werden, war mir klar“, sagt der 74-Jährige. „In dem Boot sitzen auch Profis, die schon an Weltmeisterschaften teilgenommen haben.“ Der Mann mit dem markanten Schnauzbart kennt sich aus. Er gehörte im Jahr 1976 zu den Mitgründern der Wanheimer Kanu-Gilde. Seitdem ist von Häfen der erste Vorsitzende.

Waren die Sportler anfangs nur im Kanu auf dem Wasser unterwegs, so erlebte der Verein einen Wandel. 1999 kam eine neue Sparte dazu. „Einige Mitglieder hatten damals den Drachenbootsport für sich entdeckt“, erzählt von Häfen. „Also haben wir zwei Boote angeschafft und losgelegt.“ Der Bereich wuchs. Aktuell sind in der Wanheimer Kanu-Gilde rund 380 Drachenboot-Paddler in 15 Mannschaften organisiert. „Damit sind wir auf diesem Gebiet einer der größten Vereine in Europa“, sagt von Häfen.

Felix Rosenschild ist Drachenboot-Wart bei der Wanheimer Kanu-Gilde. Beim Inselrennen trägt er zudem die Verantwortung als Regattaleiter. Der 36-Jährige ist Ansprechpartner für die Sportler, das DLRG-Team, die freiwilligen Helfer – und daher ein gefragter Mann. „Ich komm gleich zu Dir“, ruft Rosenschild einem Vereinskollegen zu. Nun, da das Rennen im Gang ist, bleibt auch ihm mal Zeit, aufs Wasser zu blicken.

Rosenschild sieht, dass der Topfavorit seinen Vorsprung ausgebaut hat. Doch hinter „Roter Drache Mülheim“ tobt ein packender Kampf um die weiteren Plätze. Die „Wolfssee Vikings“ umkurven als Vierte die letzte Boje. Das Team um Johanna Lindfeld erhöht die Schlagzahl für den Endspurt. Doch auf den letzten Metern zieht noch ein Rivale noch vorbei. Die Wikinger vom Wolfssee müssen sich mit dem fünften Platz begnügen.


Zehn Minuten nach dem Rennen steht Johanna Lindfeld vor dem Bootshaus. Ihr Trikot trocknet in der Sonne – sie stößt mit ihrer Schwester an. „Das Ergebnis geht absolut in Ordnung, wir sind ja ein junges Team und in dieser Konstellation noch nicht so häufig auf der Langstrecke gefahren“, sagt die Schlagfrau. „Uns hat es großen Spaß gemacht.“

Ein Spaß-Garant ist auch immer die „Drachenboot Fun-Regatta“. Die Vorfreude bei Lindfeld und ihrer Schwester ist riesengroß. 2023 feierten sie ihre Innenhafen-Premiere. „Die Atmosphäre bei der Regatta war mega-gut“, sagt Lindfeld. „Die Zuschauer am Rand haben für eine super Stimmung gesorgt, und dann siehst du alle paar Minuten einen Start. Das macht das ganze Event außergewöhnlich.“

Die Regatta am Innenhafen unterscheidet sich vom Rennen auf dem Wolfssee. Die Distanz ist deutlich kürzer. Beim Inselrennen mussten die „Wolfssee Vikings“ ganze acht Kilometer paddeln. Bei der „Drachenboot Fun Regatta“ sind es nur 250 Meter vom Start bis zum Ziel. „Da paddeln wir natürlich deutlich höhere Frequenzen“, sagt Lindfeld.

Bei der Veranstaltung am Innenhafen ist noch ein weiteres Crew-Mitglied an Bord. Ein Trommler fährt mit und schlägt sein Instrument im Takt der Paddelschläge. Er sitzt im Bug mit Blick gegen die Fahrtrichtung. Johanna Lindfeld hört die Klänge besonders laut. Auf ihrem Stammplatz sitzt sie dem Trommler direkt gegenüber.



Weitere Informationen zur Anmeldung und Teilnahmebedingungen zur Drachenboot Fun Regatta:

  www.duisburgkontor.de/events/drachenboot-fun-regatta